Die Bekehrungsgeschichte des hl. Franziskus von Assisi 1202-1207
(Foto: Giotto - G. Ruf / www.assisi.de) | |
Wie war Franziskus als Jugendlicher bzw. junger Erwachsener?
Franziskus war ein junger Mann mit einem wachen Geist, temperamentvoll, großzügig, verschwenderisch, verbreitete viel Spaß und Freude, war etwas angeberisch und hatte den Hang auffallen zu müssen. Er fühlte sich wohl, wenn er vor einer größeren Menschenmenge auftreten konnte. Mit seiner Clique zog er oft in den Nächten durch Assisi. Sehr drastisch schreibt Thomas von Celano “Voll davon bis zum Erbrechen lärmen sie durch die Gassen der Stadt, voll mit trunkenen Liedern.” (2 Cel 7)
Sein Wunsch Ritter zu werden: Gefangenschaft und Not
Die Bekehrung des reichen Kaufmannssohns Franziskus von Assisi begann, als er 21 Jahre alt war, um 1202/1203 in der Gefangenschaft in Perugia und vollzog sich in einem Prozess von fünf Jahren.
Franziskus wollte wieder in den Krieg ziehen, denn er sah darin eine Chance, Ritter zu werden. “Er stattete sich nach seinen Möglichkeiten mit kostbareren Kleidern aus als seine Mitbürger.” (3 Gef 5f) “Großherzig wie er war, schenkte er allerdings diese Kleider am Vorabend des Aufbruchs einem offensichtlich armen Ritter, der ebenfalls mitziehen wollte. In der Nacht darauf wurde er vom Herrn heimgesucht, der ihn in seiner Ruhmsucht durch ein Traumgesicht mit einem Höchstmaß von Ruhm lockte und begeisterte. Als er nämlich in jener Nacht schlief, erschien ihm jemand, rief ihn beim Namen und führte ihn in einen geräumigen und schönen Palast. Dieser war voll von Kriegswaffen, nämlich von glänzenden Schilden und sonstigem Kriegsgerät; alles hing an der Mauer und harrte des Kriegsruhmes. Franziskus war außer sich vor Freude, dachte in stiller Verwunderung, was das bedeute, und fragte, wem diese von solchem Glanz biltzenden Waffen und der so schöne Palast gehörten. Es wurde ihm zur Antwort gegeben, dies alles, samt dem Palast, gehöre ihm und seinen Rittern. Als er erwacht war, stand er daher des Morgens frohen Herzens auf und dachte weltlich wie einer, der Gottes Geist noch nicht voll gekostet hatte, er dürfe in diesem Palast in herrlicher Weise herrschen.” (3 Gef 5) Franziskus fühlte sich gestärkt und sicher, dass aus ihm etwas werden würde. “Die ihm vom Himmel gegebene Aufgabe des Himmels erkannte er noch nicht im geringsten.” ( 1 Cel 5)
Auf der Suche nach seinem wirklichen Lebensweg
1205 brach Franziskus abermals auf in den Krieg und wollte über Spoleto nach Apulien ziehen. Er machte sich mit Eifer auf den Weg und wurde, in Spoleto angekommen, krank. “Als er eingeschlafen war, hörte er jemand im Halbschlaf, der ihn fragte, wohin er ziehen wolle. Daraufhin enthüllte ihm Franziskus sein ganzes Vorhaben. Jener aber fügte hinzu: 'Wer kann dir Besseres geben, der Herrr oder der Knecht?' Als er aber erwidert hatte: 'Der Herr', sprach er zu ihm abermals: 'Warum also verlässt du statt des Knechtes den Herrn und statt des Hörigen den Fürsten?' Und Franziskus sagte: 'Was willst du Herr, dass ich tun soll?' 'Kehre zurück in dein Land', sprach jener, 'und es wird dir gesagt werden, was du tun sollst; denn das Traumgesicht, das du gesehen hast, musst du anders verstehen.' Als Franziskus erwachte, begann er überaus sorgfältig über dieses Traumgesicht nachzudenken. Des Morgens kehrte er daher eilends nach Assisi zurück; er harrte auf den Willen des Herrn, der ihm dies gezeigt hatte, in der Erwartung, er werde von ihm einen Rat für sein Heil erwarten." (3 Gef 6)
Franziskus ist auf der Suche. Er fühlt sich auch aus seinem eigenen Ehrgeiz heraus zu etwas Höherem berufen. Offensichtlich reicht ihm nicht, was er bereits hat. Es ist ein langer Weg des Suchens und Versuchens. “Große Seelenqualen stand er aus und konnte keine Ruhe finden. Sich widersprechende Gedanken stiegen in ihm auf, und ihr Ungestüm brachte ihn arg in Verwirrung. Es reute ihn, so schwer gesündigt und die Augen der göttlichen Majestät beleidigt zu haben, und schon konnte das Böse ob vergangen oder gegenwärtig, nicht mehr ergötzen; doch hatte er noch nicht das volle Vertrauen gewonnen, sich in Zukunft davor zu bewahren. (1 Cel 6)
Es ist ihm keineswegs von Anfang an klar, was sein wirklicher Lebensweg sein wird. Über Jahre dauert dieser Prozess.
Seine Clique
Einige Tage nach seiner Rückkehr 1205 – Franziskus ist 24 Jahre - wird er von seinen Gefährten oder - wie man heute sagen würde von seiner Clique - zum Anführer gewählt.
(Foto: privat) Eine Straße, Via Metastasio, die es z. Z. des hl.Franziskus schon gegeben haben soll. |
“Nach dem Mahl”, so steht es in der Dreigefährtenlegende, “gingen sie ins Freie; die Gefährten schritten allesamt vor ihm her, und so zogen sie singend durch die Stadt. Er selbst trug als Anführer einen Stab in der Hand und ging ein wenig hinter ihnen nach, nicht singend, sondern eifriger nachsinnend. Und siehe, plötzlich wird er vom Herrn heimgesucht und sein Herz mit solcher Seligkeit erfüllt, dass er weder sprechen, noch sich von der Stelle bewegen konnte, dass er nichts anderes zu empfinden noch zu hören vermochte als jene Seligkeit. So sehr hatte sie ihm alle körperliche Empfindung geraubt, dass wie er selbst später bekannte, er sich nicht von der Stelle hätte bewegen können, selbst wenn man ihn völlig in Stücke gehauen hätte. Als aber seine Gefährten sich umblickten und sahen, dass er sich so weit von ihnen entfernt hatte, kehrten sie zu ihm zurück. Und einer fragte ihn: 'An was hast du gedacht, weil du uns nicht nachgekommen bist? Vielleicht hast du daran gedacht, eine Frau zu nehmen?' Mit lebhafter Stimme antwortete jener: 'Ihr habt die Wahrheit gesagt; denn ich habe daran gedacht, mir eine Braut zu nehmen, die edler und reicher und schöner ist, als ihr je eine gesehen habt.' Da verlachten sie ihn. Er sagte dies aber nicht aus sich selbst, sondern durch Gottes Eingebung." (3 Gef 7)
Was ihm bitter war, wird ihm süß
Um 1206 machte er eine Wallfahrt nach Rom. Im gleichen Jahr begegnete er einem Aussätzigen, was zu einem einschneidenden Erlebnis für ihn wurde. Der Anblick von Aussätzigen war ihm widerwärtig und er mied ihre Behausungen. In der Dreigefährtenlegende wird erzählt, wie er, wenn er an ihren Behausungen vorbeikam, das Gesicht abwandte und die Nase zuhielt. Das entscheidende Erlebnis wird folgendermaßen geschildert: Als er eines Tages inbrünstig zum Herrn betete, wurde ihm geantwortet: “Franziskus, alles, was du fleischlich geliebt und zu haben gewünscht hast, musst du verachten und hassen, wenn du meinen Willen erkennen willst. Wenn du nachher zu tun beginnen wirst, was dir bisher angenehm und süß erschien, wird es dir unerträglich und bitter sein.” Durch diese Worte auch in Gott gestärkt, begegnete Franziskus eines Tages, als er in der Nähe von Assisi einen Ritt unternahm, einem Aussätzigen. Und während er es sonst gewohnt war, vor Aussätzigen großen Abscheu zu haben, tat er sich jetzt Gewalt an, stieg vom Pferd, reichte dem Aussätzigen ein Geldstück und küsste ihm die Hand. Dann empfing er von ihm den Friedenskuss, stieg wieder zu Pferd und setzte seinen Weg fort. Seitdem begann er, immer mehr sich selbst zu verachten, bis er durch die Gnade Gottes zu einem vollkommenen Sieg über sich gelangte. (3 Gef 11) - Was ihm bitter war, wurde ihm süß.
Die Stimme vor dem Kreuz in San Damiano
Im gleichen Jahr 1206 hörte er eine Stimme vor dem Kruzifix in San Damiano. Das war für ihn letztendlich das Gewaltigste. Dort vor dem Kreuz betete er. Alsbald sprach “das Bild des gekreuzigten Christus, wobei sich die Lippen auf dem Bilde bewegten. Er rief ihn bei seinem Namen und sprach: ‘Franziskus, geh hin und stell mein Haus wieder her, das, wie du siehst, ganz verfallen ist!’ Franziskus zitterte und staunte nicht wenig und kam beinahe von Sinnen ob dieser Worte.” (1 Cel 10).
Bild Original Kreuz in der Basilika Santa Chiara, Assisi http://www.assisisantachiara.it/ |
Franziskus verstand diesen Auftrag wörtlich. Er tat vorerst alles, um das verfallene Kirchlein San Damiano wiederherzustellen, bis ihm allmählich klar wurde dass nicht das einzelne Kirchlein gemeint war, sondern dass er gerufen war, die Kirche Gottes vor dem Verfall zu retten.
Die Begegnung vor dem Kreuz in San Damiano hatte Franziskus ein konkretes Christusbild gezeigt und seinem Herzen tief eingeprägt, das Bild des gekreuzigten Christus, an dem er sich fortan orientierte. Diesem armen und gekreuzigten Christus wollte er immer ähnlicher werden; mit ihm identifizierte er sich letztlich bis hin zu den Wundmalen.
Die Trennung vom Vater
Nach der Begegnung mit dem Kreuzbild in San Damiano nahmen die Ereignisse ihren Lauf bis hin zur unvermeidbar gewordenen Trennung vom Vater. In Foligno verkaufte er Stoffe seines Vaters und sein Pferd und bot das Geld dem Priester zur Wiederherstellung der Kirche an. Dem Priester war das Ganze nicht geheuer, denn er kannte diesen Anführer nächtlicher Gesellschaften und “wunderte sich deshalb über eine so plötzliche Bekehrung und weigerte sich, dies zu glauben”. (3 Gef 16)
(Foto: Giotto - G. Ruf / www.assisi.de) | |
Sein Vater, vor dem Franziskus sich für einen Monat in einer Höhle versteckt hielt, war “im innersten Herzen vom Schmerz getroffen. Verwirrt über die plötzliche Wendung der Dinge rief er alle Freunde und Nachbarn zusammen und eilte schleunigst zu ihm”. (3 Gef 16) “Franziskus betete im Verborgenen, aufgelöst in Tränen, der Herr möge ihn befreien von der schlimmen Verfolgung und seine frommen Wünsche mit gütigster Geneigtheit erfüllen. So betete er unter Fasten und Weinen glühend und beharrlich vor Gott und war voll Misstrauen gegen seine eigene Kraft und Ausdauer; seine Hoffnung jedoch setzte er ganz auf den Herrn, der ihn, obschon er noch im Dunkeln weilte, mit unsagbarer Freude erfüllt und mit wunderbarer Klarheit erleuchtet hatte. Kein Wunder, dass er, dadurch völlig in Feuer geraten, die Höhle verließ und unverdrossen voll Freude den Weg nach Assisi einschlug." (3 Gef 16)
Noch war er unsicher, noch misstraute er seiner eigenen Kraft und Ausdauer. Er bezweifelte noch, ob er auch durchhalten konnte, was sein frommer Wunsch war. Aber er wusste, dass die Kraft dafür nicht aus ihm allein kommen konnte. Er betete und hoffte auf Gott, da ihm klar war, dass, um im Bild zu bleiben, der Herr allein ihn zu seinem Ritter schlagen kann.
Als sein Vater hörte, wo Franziskus sich befand, schleppte er ihn in sein Haus, sperrte ihn mehrere Tage in ein dunkles Loch und bemühte sich, durch Worte und Schläge seinen Sinn wieder auf die Nichtigkeiten der Welt hinzulenken. (vgl. 3 Gef 17) Als sein Vater auf Geschäftsreise war, ließ seine Mutter ihn frei. Franziskus kehrte daraufhin nach San Damiano zurück.
Nach der Rückkehr des Vaters 1206/1207 spitzen sich die Ereignisse zu: Sein Vater zeigte ihn beim Konsul der Stadt an, um das entwendete Geld wieder zurückzubekommen. Da das Ganze eine religiöse Sache war, delegierte dieser die Angelegenheit an den Bischof. Franziskus brachte dem Bischof das Geld: “Herr, nicht nur das Geld, das ich von seiner Habe besitze, will ich ihm frohen Herzens zurückgeben, sondern auch die Kleider.” Vor den Augen des Bischofs, des Vaters und der Umstehenden trat er nackt heraus und sagte: “Hört alle und versteht. Bis jetzt habe ich Pietro Bernardone meinen Vater genannt; aber weil ich mir vorgenommen habe, Gott zu dienen, gebe ich jenem das Geld zurück, um dessentwillen er in Unruhe war, und alle Kleider, die ich von seiner Habe besessen habe. Von nun an will ich sagen: Vater unser, der du bist im Himmel, nicht mehr Vater Bernardone.” (3 Gef 19f)
Franziskus verlässt die Welt
Franziskus verlässt die Welt, wie er es nachträglich selbst formuliert hat, ohne Rückfahrkarte, allein im Glauben an Gott und in der Gewissheit seiner eigenen Berufung. Er ist jetzt der besagte Ritter Christi, der niemand anderem gehört oder dienen will als seinem Herrn und Gott. ( vgl. “Franziskus” von Markus Hofer)
Literaturnachweis:
Francesco - Der Mann des Jahrtausends: Die historische Gestalt des Franz von Assisi von Markus Hofer Verlag: Tyrolia Verlaganstalt; Auflage: 1. Aufl. (2000)
Gef: aus: Die Dreigefährtenlegende des heiligen Franziskus von Assisi von Bruder Leo, Rufin und Angelus und der Anonymus Perusinus, ISBN-13: 978-3-7666-2027-9
Cel: Thomas von Celano, Erste Lebensbeschreibung von Franziskus aus: Franziskus-Quellen, hg. von D. Berg – L. Lehmann, Kevelaer 2009, © Edition Coelde Butzon & Bercker